Bis in die siebziger Jahre waren die Karlsruher Journalisten, die regelmäßig über Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof und Bundesanwaltschaft berichteten, eine eher lose Gruppe. Aber dann kamen die RAF-Zeiten, und die Bundesanwaltschaft erwies sich in ihrer Pressepolitik als äußerst reserviert. Deswegen fanden sich die Journalistinnen und Journalisten zunächst zu einer Art Stammtisch zusammen, zu dem sie dann und wann Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft und der Gerichte zu Hintergrundgesprächen einluden.
Der Anstoß für die offizielle Gründung der Karlsruher Justizpressekonferenz kam dann aber letztlich von außen. Der langjährige SPIEGEL-Korrespondent Rolf Lamprecht berichtet, dass 1975 der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback in einem Vier-Augen-Gespräch die Gründung einer offiziellen „Pressekonferenz“ anregte – aus nicht ganz uneigennützigen Gründen. "Es war eine Phase", schreibt Lamprecht „in der es wieder mal kriselte zwischen Generalbundesanwalt und Bundesjustizministerium. Dem damaligen Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, vor allem aber seiner Hausspitze, missfiel Bubacks freimütiger Umgang mit der Öffentlichkeit. Das Ministerium reagierte mit einem internen Maulkorb-Erlass: Buback sollte, bevor er Pressekonferenzen einberief, stets sein Konzept vorlegen und in Bonn genehmigen lassen.“
Buback, so erinnert sich Rolf Lamprecht, schlug daher folgendes vor: „Wenn Sie etwas Ähnliches wie die Bundespressekonferenz gründen, haben Sie die Federführung. Sie laden mich ein, da kann ich natürlich nicht Nein sagen.“ Da machten die Journalisten gerne mit. Und von da an trat Buback sein Hausrecht für die Zeit der Veranstaltung an den Vorsitzenden der neu gegründeten Justizpressekonferenz ab: Rolf Lamprecht eröffnete die Pressekonferenz und erteilte ihm das Wort.
Der nächste Generalbundesanwalt führte diese Praxis nicht fort, aber den Karlsruher Justizjournalisten wurde zunehmend bewusst, welche Möglichkeiten die neue Organisationsstruktur bot, auch für die Berichterstattung über Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof. Es entstand ein Forum, das lebhafte Diskussionen zu aktuellen rechtspolitischen Fragen und Gerichtsentscheidungen ermöglichte.
Die Justizpressekonferenz führte einen regelmäßigen „Jour fixe“ ein: Vortragsabende zu verschiedenen juristischen Themen, zu denen auch die interessierte Fachöffentlichkeit eingeladen ist. Über die Jahre kamen Bundes- und Landespolitiker aller Couleur in die „Residenz des Rechts“, um über ihre rechtspolitischen Vorstellungen zu berichten. Rechtsprofessoren berichteten vom „Stand der Wissenschaft“ auf ihrem jeweiligen juristischen Gebiet und sonstige Experten, zum Beispiel Wissenschaftler oder Sachverständige, informierten über rechtspolitisch relevante Hintergründe.
Ob Maastricht-Urteil, Datenschutz, RAF-Verfahren, NPD oder Selbstverwaltung in der Justiz - die Liste der Jour fixes ist mittlerweile ein Stück Zeitgeschichte, denn sie spiegelt wider, was die Justiz jeweils bewegt hat. Da auf jeden Vortrag in der Regel eine lebhafte Diskussion zwischen Publikum und Referenten folgt, hat sich ein fruchtbarer Gedankenaustausch zwischen Richterschaft und Journalisten entwickelt.
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